Christoph Bernh.                     Welt und Glauben

Schlüter                                        Zweiter Theil

1801 – 1884                                                  

Offenbarung und Kirche

                                                        

 

 

130

 

Einst glänzte Thau auf Gideonis Felle,

Weil dürr und trocken rings die Welt umher;

Dann war sein Vließ der Perlentropfen leer

Und weit die Welt vom Thaugeriesel helle.

 

Hoch von äther’scher Burg springt eine Quelle,

Mit Reichthums Fülle senkt sie sacht und schwer

Sich in die Herzen, stillend ihr Begehr

Nach sel’gen Himmelswassern froh und schnelle.

 

Reich sprudelt sie und tränket alle Lande,

Und rückwärts ihre Wasserströme fließen

In’s ew’ge Leben, da sie kommen her.

 

Für erd’ und Himmel ward zum heil’gen Bande

Sie ausersehn, wird ewig sich ergießen;

Und wenn sie tränkt, den dürstet nimmermehr.

 

 

131

 

Im Busen glänzt’s, umhüllt von mag’schem Duft;

Dort tönen leis geheimnißvolle Lieder;

Vier Elemente schalten dort als Brüder,

Und Alles sich zum Wechselbündniß ruft.

 

Aus heil’gem Feuer athmet Himmelsluft,

Und Himmelsluft belebt die Flamme wieder,

Und heil’ge Quellen steigen aufund nieder,

Entsprungen tief der harten Felsenkluft.

 

Und, o des Wunders! will die Flamme sinken,

Beleben neu sie jene kühlen Quellen,

Die nimmer ohne sie emporgedrungen:

 

Denn aus den Flammen jene Quellen trinken,

Die tief das Herz erquicken und erhellen,

Dann strömen aus in tausendstimm’gen Zungen.

 

 

132

 

In heil’ger Sternschrft las ich geschrieben

Sein ew’ges Lob, wo der Allmächt’ge thront;

In dem Gewissen Ihn, der straft und lohnt

Nach ewig richt’ger Wage, hier wie drüben.

 

Und seine Weisheit las ich in dem trüben

Gewirr der Zeitlichkeit hier unterm Mond;

Und schien mir’s, daß er Alle gern verschont,

Sah ich in Zügen der Natur sein Lieben.

 

Doch mächt’ger schien aus frommen Mutteraugen

Sein Liebesgeist zu sprechen, aus den Blicken

Der Lieb’ und Freundschaft mir sein Glanz zu tagen.

 

Und dennoch mußt’ ich zweifeln oft und fragen:

Liebt er die Welt und mag der Mensch ihm taugen?

„Erbarmer“ nennt die Schriftihm; o Entzücken!

 

 

133

 

Und willst entzückt die heil’ge Kunde lesen,

Und recht verstehn und fassen, was sie bringt,

Mit Herz und Geist, der in die Tiefen dringt,

Und durch das Wort bis in das Mark genesen;

 

Willst recht erfassen jenes heil’ge Wesen,

Das uns erlöst, gerettet und verjüngt,

Mit Engelsfittigen uns neu beschwingt,

Und das, bevor noch Abraham gewesen:

 

So sammle dich in Ruh’ und stillem Frieden,

Fleh’ auf zum Geist, fleh’, daß sein Licht in dir,

So wie um dich, dir tagt und dich geleitet,

 

Wo unterm Lebensbaum dir ward beschieden

Ein Plätzchen fern dem öden Weltgewirr,

Am heilgen Quell vom Schatten überbreitet.

 

 

134

 

Mit Perlen, Edelstein und goldnen Spangen

Möcht’ billig ihr das Buch der bücher zieren,

Das demuthvoll der heil’ge Geist dictiren

Gewollt, zu stillen aller Welt Verlangen.

 

Ja, welcher Schrein möcht’ würdig wohl umfangen

So köstlich Denkmal; doch mit Perlenschnüren

Und dem Gestein, o laßt euch nicht verführen,

Preist nimmer ihr, was Hohes ihr empfangen.

 

Der Geist des Buchs nur ist des Herzens Stempel,

Der Geist in uns macht erst die Schrift lebendig,

Der Buchstab’ tödtet, wenn des Geistes bar.

 

Doch euer Herz ist heil’gen Geistes Tempel;

Fleht, daß der Geist es herrlich schmück’ inwendig

Mit Tugenden! dies bringt als Opfer dar!

 

 

135

 

O lies und lies mit lautem Herzenspochen

Im Wort des Lebens von des Schöpfers Bund

Mit dem Geschöpf: hier wird es klar dir kund,

Wie oft wir ihn, wie Er ihn nie gebrochen!

 

Und hat er bis in’s zehnte Glied gerochen

Der Väter Missethat, tönt doch sein Mund

In’s tausendste, dem Heil, was krank und wund

Ihn sucht, seit uns sein Sabbath angebrochen.

 

Er stürzt den Stolz in Staub, doch hoch erhebt,

was klein und niedrig, er zur heil’gen Höhe,

Stößt, was da unrein, aus in Finsterniß;

 

Zieht an, was heilig, nicht am Staube klebt,

Und heiß sich sehnt zu seiner sel’gen Nähe,

Vereint es sich und schließt des Abgrunds Riß.

 

 

136

 

Zwei goldnen Ringen gleich an heil’ger Lade

Der Schrift stehn Zukunft und Vergangenheit:

So unserm Hoffen und Erinnern beut

Sich’s Buch der Schöpfung, der enthüllten Gnade.

 

Und seit der Zeiten Schöpfrad aus dem Rathe

der Weisheit schöpft, erfüllend Raum und Zeit

Mit Formen tausendfach, durch Zwist und Streit,

Bis müd’ es still steht, zeigt das Wort die Pfade;

 

Doch in der goldnen Arche reich verziert,

Inmitten jener Grenzen, birgt sie hehr

Gesetzes Buch, dann Botschaft sel’ger Liebe.

 

Und über heil’gen Cherubinen wird,

Ein Zeichen, strahlend über Land und Meer,

Das Kreuz erhöht, besiegend Nacht und Trübe.

 

 

137

 

Lies stumm voll Ehrfurcht an der Himmelsschwelle;

Chronik nicht eines Volks, nicht selbst Geschichte

Der Menschheit, zeigt sich offen dir im Lichte

Des Geists, vor dem das All in ew’ger Helle.

 

Nein, was geschehn in Himmel, Erd’ und Hölle,

Des Herren Huld und ewige Gerichte,

Wesen und Eigenschaft schau im Gesichte

Lichtspiegelnd glänzen, wie in klarer Quelle.

 

Und was geschah, geschieht und wird geschehen,

Schaust du in ew’ger Weisheit Plan gegründet,

Gesandt aus ewig heil’gen Lichtbezirken.

 

Doch größre Wunder als du dort gesehen,

Und Alles, was vom Anbeginn verkündet,

Vermag der Geist im Gläub’gen noch zu wirken.

 

 

138

 

O alle Füll’ und Reichthum der Natur,

O alle Pracht und Wunder der Geschichte

Vor solchem schlicht erhabenen Berichte

Verhalten sich wie Leib zur Seele nur!

 

Zeigt Irdisch-Menschliches gleich seine Spur,

Nur durch das Wort siehst du’s im rechten Lichte.

Empfange hier Zahl, Maaß und recht Gewichte,

Den Schlüssel, eh’ du trittst auf Gottes Flur.

 

Ja ohne ihn ein tief Geheimniß blieben

Wär’ ich mir stets; von Gott und seinen Wesen,

Rath, Werk und Eigenschaft, was dürft’ ich künden?

 

Trüb’ wär’ der Geist, in nichts verschwemmt mein Lieben:

Erst seit durch’s Wort zum Sehen ich genesen,

Mag ich allum zum Text die Noten finden.

 

 

139

 

Der Adam schon geleuchtet, eh’ er fiel,

Der dem Gerechten, der am Ziel der Zeiten

Der Letzte hofft auf ihn, das Licht bereiten

Der Zuversicht treu bis an’s Ende will;

 

Der selbst der Zeiten Anfang, Mitt’ und Ziel,

Der Gnaden Spender und Gerechtigkeiten,

Der Zeiten Füll’ und Gerechtigkeiten,

Der das Gesetz in alles Lebens Spiel:

 

Er ist das Wort im Wort; aus seiner Fülle

Schöpft es der Geist und Jeder, der begeistert

Durch’s Wort, im Wort, vom Worte Zeugniß gibt.

 

Sprich ewig es in heil’ger Feierstille,

Bis, wie des Alls, auch dein es sich bemeistert,

Dein Herz in Allem einzig ihn nur liebt.

 

 

140

 

Der Geist, der ewig jung und unermattet

Einst schwebte ob dem Chaos streitdurchgohren,

Die junge Erde führt’ aus Todes Thoren

An’s Licht, durch die Propheten Kund’ erstattet;

 

Der gnadenvoll Marien überschattet,

So daß ein Fürst, ein Heil’ger ward geboren,

Der zwölf Apostel sich zum Mund erkoren,

Der nur mit reiner Herzensglut sich gattet:

 

O, er vollendet noch des Wortes „Werde“

In Gnad’ und heil’ger Zier, das ewig tönt

Durch Raum, wie Zeit, Natur wie in Geschichte.

 

Noch ist des heil’gen Geistes voll die Erde;

O sieh, wie in der Schrift sein Werk er krönt!

Steht er dir bei, nicht mangelt dir’s an Lichte.

 

 

141

 

Du, die allein mir helles Zeugniß gibt

Von Gott und seinem Werk, dich will in Tagen

Des Glücks, der Freud’ ich auseinanderschlagen,

Des Glücks zu denken, welches ungetrübt.

 

Dort samml’ ich Schätze, die kein Sturm zerstiebt,

Am dunklen Trauertag in Furcht und Zagen,

Von Schmerz gefoltert, öd’ und gramzerschlagen,

Gewiß, daß Er doch überschwänglich liebt.

 

In Glück wie Unglück sei mir Zufluchtsstätte,

Sei Friedensbucht und sichrer, sel’ger Hafen,

Verzweiflung bannend fern, wie Uebermuth.

 

Sei stets der müden Seele Ruhebette,

Wo sie gequält und matt sanft möge schlafen,

Tief im Gefühl sie sei in Gottes Hut.

 

 

142

 

O hohes Glück in unsrer Jugend Tagen,

Als noch ob unsrer Hütte unverwandt

Gottes Geheimniß selig segnend stand

Und Keiner mocht’ nach anderm Reichthum fragen!

 

Wie kehrte sich der Muth in banges Zagen,

Die Seligkeit in Elend, seit verbannt

Durch unsre Schuld sein heil’ger Tag verschwand,

Daß Alle nun der Knechtschaft Ketten tragen!

 

Und doch, wer preist die namenlose Huld,

Die Liebe, welche sonder Maß und Grenzen

Zum höchsten Segen kehrt die tiefste Schuld!

 

Wir sahn die Herrlichkeit im Antlitz glänzen

Des Menschensohns, in niegesehner Klarheit,

Des Eingeborenen voll Gnad’ und Wahrheit.

 

 

143

 

Nur einen Blick in jenen Riß gethan,

Wo das Geschöpf mit zartem Unterschied

In seinem Urquell jugendlich erblüht,

Magisch erglänzend in des Ew’gen Plan,

 

Unsterblich und mit Glorie angethan

Des Paradieses: o, dein Auge sieht

Mit anderm Sinn in Raum und Zeit; es flieht

Verworrenheit aus dem Gemüth fortan!

 

Im Menschenspiegel magst du’s nicht entdecken,

Was Gottes Rath, Natur, du selbst im Wesen,

Verhältniß, Grund, woher, zu welchen Zwecken.

 

Verstecken wird sich’s, Eins das Andre decken,

Dich neckend täuschen: nur im Worte lesen

Magst du’s, so ewig ist und nie gewesen.

 

 

144

 

Am äußern Wort entzündet Licht sich innen,

Und innres Licht gibt äußrem Wort Verständniß.

Doch Seligkeit gibt lauteres Bekenntniß,

Und durch Erlebung muß man Licht gewinnen.

 

Allein wie bald muß innres Licht zerrinnen,

Wenn äußerm Worte Taubheit und Verblendniß

Sich kalt verschließt in stolzer Geistserkenntniß!

Die Haltung flieht mit jenem Halt von hinnen.

 

Nur eine Lust ist’s, welche widerstehet

In mir der Lust, die wehrlos mich erstickte,

Wär’, jene nicht, das Gleichgewicht mir gebend.

 

Zerrissen und zerstiebend längst verwehet

In weite Räume wär’ mein Körper, drückte

Nicht äußre Lust, umgebend, wie belebend.

 

 

145

 

Mag Menschenwort des Donners Mund beschwicht’gen?

Lenkt Menschenhand den Blitz aus seiner Bahn?

Umschließet unser Arm den Ocean?

Fängt unser Netz des Nordwinds Hauch, den flücht’gen?

 

O schätzt zu hoch nicht Menschenwitz, den nicht’gen,

Durch ihn der ew’gen Weisheit Wort zu fahn.

Wer sich’s vermißt, ist Sklav’ und Unterthan

Thörichten Wahns, er mag sein Thun bericht’gen.

 

Von Ewigkeiten sprach das ew’ge Wort

Der Vater aus im Innern; dann nach außen

Sprach er’s in Raum und Zeit, das nie verhallt.

 

O suchet, ich beschwör’ euch, sucht es dort,

Sucht es im Innern, sucht und ehrt es draußen!

Zerschmettern muß es, wer ihm thut Gewalt.

 

 

146

 

Dem Wort, durch das, im Anfang ausgesprochen,

Des Ew’gen Will’ erschuf dies Weltenall,

Deß Schrift erglänzt in Sternen, im Krystall,

In Kraut und Moos, vom Goldinsect durchkrochen;

 

Das durch den Umkreis tönt ununterbrochen

Der wandelnden Jahrhundert’ überall,

Gleich Niles Katarakt im Donnerfall:

Ihm habt trotzbietend keck ihr widersprochen.

 

Was nützt eu’r Schrei’n und Pochen, was die Worte,

Ohne das Wort und wider es erhoben;

Was solch ohnmächtig Murmeln, Schwätzen, Flüstern!

 

Schilfinseln seid ihr, fern dem festen Orte,

Durch keine Kette unterstützt von oben,

Am wüsten Ort und ewiglich im Düstern.

 

 

147

 

All’ unser Wissen, Können und Vermögen

Ward unser auf der Ueberliefrung Spur.

Was kundig von Geschicht’ ist und Natur,

Bot uns allein ihr Unterricht entgegen.

 

Darob verkehrt in Fluch sich unser Segen,

Weil wir verachten heil’gen Bundes Schwur,

Weil einzig Gott und Göttliches wir nur

Verdanken wollen unsern eignen Wegen.

 

Und dennoch, ist’s erhaben nicht, zu denken,

Wie ein Verstand, ein Wort die Menschen einigt

Hoch über uns, das in der Menschheit leuchtet?

 

Wie Väter Söhnen das Vermächtniß schenken,

Des Ew’gen Gab’, von menschenwitz gereinigt,

Und eine Fluth sie nähret und befeuchtet?

 

 

148

 

Habt ihr nur immer euch in Herz und Kopfe,

Wo stets nur euch ihr und das Eur’ge meint,

Was Wunder, wenn die Weltgeschicht’ erscheint

So dürftig arm dem dürftig armen Tropfe!

 

Der Tod allein, das Ich, steckt in dem Topfe.

Das Werk des Geistes, welcher stets verneint,

Erscheint sie euch; ihn, der da schaffend eint,

Erkennt ihr nicht und zerrt euch selbst am Zopfe.

 

Verkennend Gottes ew’gen, heil’gen Geist

Und seiner Weisheit Spur in der Natur,

Sein ew’ges Wort im Gang’ der Weltgeschichte,

 

Schaut stets euch selbst ihr in dem Spiegel nur

Der Zeiten und des Raums, und euch erweist

Sich Alles sonst gleich Fabel und Gedichte.

 

 

149

 

Sprang je ein Strom aus seinen Uferbetten,

Den Lauf abbrechend, so Natur ihm wies,

Der seine vorgesetzte Bahn verließ,

Zersprengend des Naturgesetzes Ketten?

 

War’s möglich, sicher konnt auch nichts ihn retten,

Versickern mußt’ er schnell in Sand und Kies.

Die Freiheit, so bethörter Wahn verhieß,

Führt mälig ihn zum Tod auf öden Stätten.

 

Nicht kann er mehr den Ocean erreichen;

Nur in der Schranke wär’ ihm Freiheit worden,

Und Kraft und Muth, den Strömen sich zu gleichen;

 

Doch Wahn und Willkür mußten ihn ermorden.

Gesetzlos und zerstreut gibt er ein Zeichen,

Warnend der Schwindler zügellosen Orden.

 

 

150

 

O glaubt, Entstalten ist nicht Umgestalten,

Und schwerer ist’s, zu bau’n als zu zerstören;

Bescheidne Zucht und Pfleg’ ist kein Verheeren,

Vertilgungskrieg nicht ruhiges Entfalten.

 

Ehrt unsre Zeit nicht die ehrwürd’gen Alten,

Wird wohl die Nachwelt besser selbst uns ehren,

Die, scheidend stets und mindernd, statt zu mehren

Gedeihn und Segen, wie Barbaren schalten?

 

Ist’s Alter selbst ehrwürdig nicht geblieben,

Welch Ansehn soll dann noch ehrwürdig bleiben?

Mälig muß jede Würd’ und Macht zerstieben.

 

Was wird man achten ferner noch und lieben,

Und wessen Vollmacht wird man unterschreiben?

Nur Zwang wird blindes Vieh zusammentreiben.

 

 

151

 

Wohl nicht erfreulich ist es anzuschauen,

Will Neid und Argwohn, wo da recht und schlecht

Ein Redlicher die Schmach der Trägheit rächt,

Verdächt’gen Alles, nirgendwo vertrauen.

 

Zeigen am Stamm auf frischen Frühlingsauen

Sich junge Sprossen, gleich die Sichel regt

Der Unverstand; dort wuchs der Baum nicht recht

Dem Andern gar, will ganz ihn niederhauen.

 

So schalten thöricht rings die Gärtnerknechte!

Doch deckt nicht Schlaf des Herren Angesicht;

Weh anders auch dem elenden Geschlechte!

 

Sieh! Regen, Licht und Thau aus Wolken bricht,

Und schaffen heimlich still das ewig Rechte,

Und Gottes heil’ge Stürme ruhen nicht.

 

 

152

 

O sucht nicht immer nur auf neuen Wegen,

Wo unbetreten, ungewiß der Pfad.

Und wißt ihr denn, führt er zur heil’gen Stadt,

Die auf des Berges Friedenshöh’ gelegen?

 

Tritt überall bewandert doch entgegen

Euch rings der Steig mit Licht und gutem Rath,

Den Weisheit fromm vor Alters schon betrat,

Dran sich erzeigt des Himmels reichster Segen.

 

Folgt heil’ger Feder, folgt auch heil’gen Zungen,

Die, feu’rbeflügelt von des Herren Geist,

Gen Ost und West und Nord und Süd gedrungen.

 

Wer glaubt und hört und thut, das Wort verheißt

Die Palme ihm, die sich am Ziele weis’t,

Wo froh den Anfang hält das End’ umschlungen.

 

 

153

 

Sie sagen treu dir an, was sie vernommen,

Als Gottes Geist im Glauben sie gegründet,

Als ihr Gemüth in heil’ger Lieb’ entzündet,

Und daß ihr Sehen durch’s Gehör gekommen;

 

Daß angenommen sie und nichts genommen,

Wo sich der Lehre heil’ger Urquell findet.

Die Zunge siegt, wo tief das Herz empfindet,

An der Geschichte Geisteslicht entglommen.

 

Will da beim Einklang aller heil’gen Zeugen

Auf das einhell’ge Wort sein Siegel drücken

Des Herren ew’ger Geist im Menschengeiste,

 

Wenn klar zum Lichtquell man hinauf kann steigen,

Wie durch Krystall, durch die Jahrhundert’ blicken:

Wer ist’s, der da zu zweifeln sich erdreiste?

 

 

154

 

Entweicht die Fluth aus Stroms harmon’schem Gange,

Absondernd sich, landeinwärts weit zu fliehn,

Bald Röhricht, Dorn und Schlamm und Bins’ erschien,

Wo Fluth und Strom nicht mehr in gleichem Range.

 

Trennt laub’ger Ast vom Stamm sich, währt’s nicht lange,

Und statt der eignen Blätter frischem Grün

waldranken ihn und feuchtes Moos umziehn,

Wo Eidechs hauset, Kröte, Molch und Schlange.

 

Der Sonnenstrahl, vom Quell des Lichts getrennt,

Verschimmert schnell und mag nicht länger weilen;

So in der Symphonie ein Instrument,

 

Wenn fort harmonisch alle Stimmen eilen,

Nur jenes eitel, eigne Bahnen rennt:

Nicht Würde mag’s empfangen, noch ertheilen.

 

 

155

 

Kränk nicht den Geist durch ew’ges Eigendenken,

Als ob durch dich nur Alles wohlgeriethe;

Wirf in den Schooß dich ew’ger Vatergüte,

Begierig, ganz in sie dich zu versenken.

 

Gott mag das Herz wie Wasserbäche lenken;

Wenn hoch vom Himmel her sein Funken sprühte,

Blitz, Licht und Hall erschüttert dein Gemüthe,

Da wird es Tag, wird Lebenswort dich tränken.

 

Aus Herzensgluth vom Himmelsblitz erschüttert

Und ehrfurchtsbang bricht heil’ger Strahl zu Tage.

Licht im Verstand und Kraft in Wort und Willen

 

Schafft segnend Er: von Lebensluft durchwittert

Fühlst du dich neu gesundet, fern die Klage;

Und thau’ge Segenswolken dich erfüllen.

 

 

156

 

Nicht schuf er Erd’ und Sonn’ und Mond und Sphäre

Des Siebensterns in vager Allgemeinheit.

Nach Zahl, Gewicht und Maaß in Formenreinheit

Schuf er ein jeglich Ding zu seiner Ehre.

 

Kraut, Pflanz’ und Thier in unsrer Atmosphäre,

Form und Gesetz in zugespitzter Feinheit

Zeigt es.   Weg Allgemeinheit, Scheinheit, Seinheit!

Gemein sind allgemeine Charaktere.

 

Die Abstraction fürwahr lügt nur Geheimniß,

Die zum lebend’gen Gott uns nimmer heimwies,

Ist Werk der Ohnmacht nur, der Schwäch’ und Säumniß.

 

Drum ist das Lebenswort wie alles Leben

Concret, anschaulich und bestimmt gegeben,

Einzig, wie Er, in dem wir sind und schweben.

 

 

157

 

Nicht zürn’ ich euch, die auf verwachs’nem Pfad

In Dorn und Distel ewig sich verwirren,

Die ewig blind von jenem Weg abirren,

So Gott den Menschen vorgezeichnet hat.

 

Den Weg verfehlend Anbeginns, zu spat

Fast scheint’s und schwer, aus jenem trocknen, dürren

Bezirk der Angst, wo Nachtgevögel schwirren,

Auf’s Neu’ zu finden lichten Pfad und Rath.

 

Doch Jenen zür’n ich, Wehe ihnen kündend,

Die einmal ruhten an der Himmelsquelle

Und Kräfte sel’ger Ewigkeit gekostet;

 

Wenn buhlerisch mit jenen sich verbündend

Das Kleinod feil sie bieten an der Stelle

Für Tändelei, die modert und verrostet.

 

 

158

 

Nur schwarz auf weiß, gemein erglänzt die Schrift,

Die irdischer Verstand und Sinn erschaut

In der Natur, von Dämmerung umgraut,

Eh’ noch der Geist die höh’re Welt umschifft.

 

Doch golden zwischen jenen Zeilen trifft

Des Geistes Aug’ und Ohr erst Wort und Laut,

Die ihren Lieblingen allein vertraut

Die Weisheit, so sie schrieb mit heil’gem Stift.

 

Dreimal beglückt, wer durch die Zeilen lesen

Mag ihr Geheimniß, ihrem Tage nah’,

Verstehn das Ziel, den Einklang aller Wesen,

 

Wie Eins für’s Andre, All’ für Einen da,

Sein, Leben, Schmuck, Trank, Speise sie genommen

Von ihm, aus dem, zu dem sie Alle kommen.

 

 

159

 

Ein Saamenhändler ist’s; von Land zu Land

Zieht er und ruft, nie müd’ am Wanderstabe.

An seiner Hand ihm folgt ein muntrer Knabe,

Den magisch er in seinen Kreis gebannt.

 

Der zählt und nennt die Körner alle, fand

Ein Käufer sich, und preist als Himmelsgabe

Die Waar’; er folgt dem Greisen treu zum Grabe:

Kein treu’rer Knecht des Herrn ward ihm bekannt.

 

Drum wünscht des Gärtners Saamen er Gedeihen,

en dieser spendet als die schönste Habe;

Er zeigt und lehrt, was Pflanzenpflege heißt,

 

Wird anders Segen das Gestirn verleihen.

Nicht kümmert’s ihn, krächzt auch des Neides Rabe,

Weil seines Herren Aar die Sonn’ umreist.

 

 

160

 

Er, der verstummte, löst das Wort; es sehen

Viel Blinde auf des Blinden Wort; es rief

Des Todten Machtruf aus dem Grabe tief

Die Todten; Lahme macht ein Lahmer gehen.

 

Ein tiefer Schläfer läßt’s dennoch geschehen,

Daß ab den Schlummer schüttelt, welcher schlief;

Wer schlecht gezielt, wer stets gerichtet schief,

Sieht günst’gen Wind den Pfeil zum Ziele wehen.

 

Wer nichts gesucht, er fanf die reichsten Schätze,

Und theilte Vielen aus das schönste Loos;

Gebrochen macht er stark, ein Kleiner groß

 

Die Kleinen, daß sein Blick sich dran ergötze.

Viel Frucht gebar der unfruchtbare Schooß,

Es schuf das Leid, das Leid sich hoch erletze.

 

 

161

 

O Unvernunft, man macht die Zweck’ zu Mitteln,

Und Mittel werden Zwecken gleich fixirt!

Hat Wahnsinns Schwindel Alle denn verführt,

Daß unablässig an dem Zweck sie rütteln?

 

Wird alle Sache denn zu leeren Titeln,

Ist Gott nur Gott, wiefern er nützlich wird,

Religion, weil sie die Achsen rührt

Der Staatsmaschin’, gut und nicht abzuschütteln?

 

O eure Weisheit bleibt ein leerer Titel,

Gilt nicht Gottseligkeit euch einz’ges Ziel.

Leib, Leben, Staat und Wissenschaft und Kunst

 

Sind Zwecke nicht; es sind nur Weg’ und Mittel

Zu jenem Ziel; ein nichtig leeres Spiel

Sind anders sie, ein leerer Rauch und Dunst.

 

 

162

 

Den Blättern gleich, ein Spiel den Herbsteswinden,

Die schnell ein Nachtfrost salbte und verdorrte,

Gleich schnell verklungnem Nachhall, sind die Worte

Des Menschen, die, ein flücht’ger Hauch, verschwinden,

 

Wo einzig nicht das ew’ge Wort sie künden,

So Allen ward des Eingangs rechte Pforte,

So uns gesetzt zu unsrer Hoffnung Horte,

Drin wahr und klar die Zungen sich entzünden.

 

Es ist das Wesen; ew’ge Kraft und Klarheit,

Der Weisheit Brunn und Urquell jeder Tugend,

Selbst, die es spricht, die wesentliche Wahrheit;

 

Aus ihm entquillet ew’ge Geistesjugend.

Mit einem Male gibt sich dem Gemüthe

Dies Wort, als Wahrheit und als ew’ge Güte.

 

 

163

 

Wie oft erscheint als Lüg’ und frevles Pochen,

Was eitler Menschen Witz mit Zung’ und Hand

Von ihm erhebt, der groß und unbekannt!

Wird jedes müß’ge Wort nicht einst gerochen?

 

O daß das Wort, von Ewigkeit gesprochen,

Durch das allein uns Gottes Nam’ bekannt,

Ein Jeder nicht beglückt im Innern fand:

Nie hätt’s dem innern Aug’ an Licht gebrochen!

 

Falsch ist und Lästrung nur, was wir verkünden,

Falls Kinder nicht im Sohn, falls noch im Tod

Der finstern Eigenheit wir uns befinden.

 

Aus unsern Thaten, gleich dem Morgenroth,

Glänz’ heiliges Geheimniß unsrer Liebe,

Stark, wie der Tod, durch erdennacht und Trübe.

 

 

164

 

Die Liebe nur stürzt Scheidewand und Riegel,

So uns vor Alters von dem Element

Des ew’gen Heils, von unserm Gott getrennt;

Dann wuchsen neu der Psyche vor’ge Flügel.

 

Doch weh dem Mann, der ohne Blutessiegel,

Das für uns floß, da er den Herrn mißkennt,

Mit rohem Herzen sich vergöttert nennt,

Sich, ungesühnt der ew’gen Weisheit Spiegel.

 

Was ferne war, wohl ist es nah’ gekommen,

Die Decke fiel für, die der Sohn befreit,

Vom Antlitz, das wir unverhüllt nun schauen.

 

Doch wer auf eigne Hand den Weg genommen

Zur Hochzeitsfei’r des Lamms, o nimmer freut

Er sich der That; jäh faßt ihn Todesgrauen.

 

 

165

 

Nicht wolle scheiden, was da Gott geeinet,

Noch mengen frevelnd, welches Gott getrennt;

Zwiefach das Wort Geschöpf und Schöpfer nennt,

Und weh dem Geist, der anders wähnt und meinet!

 

Und zwiefach im Geschöpflichen erscheinet,

Wie der Natur der Freiheit Element

Geeint im Menschen: in’s Verderben rennt,

Wer mischt, was scharf der Horus hat umzäunet.

 

Drei sind hienieden, einig in der Form,

Doch nicht im Wesen: Mensch, Natur und Geist,

Durch Jesu Lieb’ der Gottheit engverbündet,

 

In ein’gem Wesen glänzt des Urbilds Norm,

Drin das Geschöpf den Hochdreifalt’gen preist,

In ew’ger Lieb zu sich und uns entzündet.

 

 

166

 

Daß Ich ein Ich, erscheint mir ganz gewöhnlich,

Denn von den Seelen allen ist’s jedwede;

Ach! ohne Du ist’s Ich nicht werth der Rede,

Nicht liebgeeint im Geiste, kaum persönlich.

 

Persönlich wahrhaft ist nur, was versöhnlich

Im Sohn und Sühner; grimmig kalt und schnöde

Liegt einer wider ihn in ew’ger Fehde,

Der, ob Person, doch fern ihm wünscht sich sehnlich.

 

Ja, was ein Antlitz auglos, eine Erde,

Die sonnberaubt, ein Ohr, worein nichts schallet,

Was eine Nacht, drin nie ein Aufgang taget;

 

Ein Nichts, dem nie erscholl ein Schöpferwerde,

Ist’s Ich, drein Gottes Wort nicht strahlt und hallet,

Ein starrer Fels, der in die Urnacht raget.

 

 

167

 

Gleich einem Hegel, stets von Ja und Nein

Gezerrt, geschleift, siehst du den Geist der Erden,

Ein ängstlich Hasten, Werden und Verwerden,

Freud-, friede-los, ein Sein und doch kein Sein.

 

Kein Aufgang aus der Höh’, kein Himmelsschein

Heitert zur Lust die Schmerz- und Angst-Geberden;

Sie sucht sich selbst voll Arbeit und Beschwerden,

Ihr Icht’s und Nichts ist ihre ew’ge Pein.

 

Tritt auf, o Mensch, Erlöser der Natur,

Der sie in Banden schlug, o laß auf’s Neu

Die heilige Idea wieder leuchten

 

In Geist und Wort und That. Die Dreie nur

In Eins erlösen sie und machen frei

Die Sklävin, deren Dränger sie verscheuchten.

 

 

168

 

Luft, Wasser, Bergkrystalle, Pflanz’ und Thier,

Fünf Stufen, wo Natur empor sich ringt

Im Lebenszwist; erst auf der höchsten bringt

Der Menschengeist zum Theil die Ruhe ihr.

 

Ja und mit ihm schon nah’ der Himmelsthür,

Verklärt im Septenare, selig schwingt

Hienieden schon sie oft sich auf und singt

Der Freiheit Lied im ew’gen Lichtrevier.

 

Du, der ihr hart den Witwenschleier bot,

O Mensch, verhöhne nicht das Leid, die Thränen,

Womit sie Tag und Nacht ihr Loos beklagt;

 

Durch Himmelsbalsam lindre ihre Noth,

In Hoffnung wandle sich ihr herbes Sehnen,

Wenn Himmelslicht hinzuckt durch ihre Nacht.

 

 

169

 

Ja, eine Blüthenknospe, voll und reich,

Ist diese stumme, dunkle Muttererde;

Noch ringt sie mit unendlicher Beschwerde,

Noch nicht genes’t sie solcher Frucht sogleich.

 

Noch schwankt sie in dem blauen Aetherreich,

Still hoffend und mit ängstlicher Geberde

An unsichtbarem Stiel, ob noch das „Werde“

Des Morgenstrahls sie weck’ am Frühlingszweig.

 

O Sonntag hehr, wenn ew’gem Frühroths Strahl,

Der jetzt schon dämmernd um ihr Leben waltet,

Nun dieser Knospe grünen Schluß zerspaltet;

 

Die Millionen Blätter allzumal

Aufblühn mit Duft und Glanz und Klang im Thal,

Zur ew’gen, heil’gen Himmelsros’ entfaltet.

 

 

170

 

All’ meine Brüder, die dein dunkler Schooß,

O Muttererd’, umschließt, die zu verwesen

In dir bestimmt, sie werden einst genesen,

Wie Reb’ und Aehr’ im Lenz, zum frohen Loos.

 

All’, deine armen Kinder, klein und groß,

Die hegend du zu nähren auserlesen,

Du gibst sie einst, sie werden dich erlösen,

Wie du mit ihnen litt’st, schwach, krank und bloß.

 

Gefangen waren sie, du warst gefangen

Und harrtest seufzend, schmachtend und voll Sehnen

Der Gottesdiener lichter Offenbarung.

 

So wird, wie sie, auch Freude dich umfangen

Und Freiheitsglück, dir dargebracht von Jenen,

So du ertheilst Grab, Mitleid und Bewahrung.

 

 

171

 

Was ist und lebt, hat Gottes Geist geweiht,

Es lebt in ihm, ist ewig vorgesehen;

Drum ist’s und lebt und kann nicht untergehen,

Und ist sein Sterben nur ein Schein der Zeit.

 

Verschwindet’s hier, glänzt’s neu in Ewigkeit

Vor ihm, dem Einmalsehen Immersehen;

Mit Blüth’ und Frucht nur hat’s zu sel’gen Höhen

Sich aufgemacht aus Streit und Niedrigkeit.

 

Doch wie’s hienieden schaltend mochte walten

Mit ihm gebotner Kraft und Lebenssäften,

Gebannt in nächt’gen Tiefen der Verwesung,

 

Wird’s, seiner Lichtidee sich zu gestalten,

Erheben sich zu seinen ersten Kräften,

So wie sein Tod ist seine Lichterlösung.

 

 

172

 

Des Feuers Kampf, der Elemente Wüthen,

Des Lebens Pyramid’ und Wunderbaum,

Voll Glanz und Duft, voll Frucht und süßer Blüthen,

Entsprießend an Vulkanes nächt’gen Saum;

 

Natur, Geschichte, Freund, die Sinne bieten

Dir nur des Aeußern wunderbaren Traum,

Deß innern Sinn und Deutung nie verriethen

Menschliche Worte, die nur nicht’ger Schaum.

 

Das Wort allein, in heil’ger Schrift gesprochen

Und sprechend noch und schreibend, wie zuvor

In Menschensinn und Herz, thut auf das Thor.

 

Nie hat die Schaale Menschenwitz durchbrochen,

Sein Licht nur löst den räthselhaften Traum.

O Grübelgeist, gib diesem Lichte Raum!

 

 

173

 

In unserm Busen wohnt ein heilig Sehnen;

Natur erregt’s, doch kann sie’s nicht befrieden,

Suchst du bei ihr vom Lichtgestirn geschieden,

Wohl kostet dich’s nur doppelt Qual und Thränen.

 

Den Weg zum Abgrund einzig zeigt sie denen,

Die Gottes Hand nicht innen hält in Frieden,

Die Ruhe hoffen außer ihm hienieden,

Des Staubesknecht’ in ewig bangem Wähnen.

 

Flieg’ auf zu Gott, willst du die Welt besitzen,

Verloren sie und dich, findest du neu

In Ihm sie wieder dir zu Wonn’ und Heil.

 

Alles in ihr soll nur als Weg dir nützen,

Wiss’, daß sie nur, um zu bedeuten, sei;

Nicht todte Schrift, der Sinn, er sei dein Theil.

 

 

174

 

Gebrauchen dankbar wir der ird’schen Gaben,

Im Aug’ die ew’gen, göttlich rein gesinnt;

Durch Gottes Wort gesegnet, erst gewinnt,

Wer sie genießt, die Macht, sich dran zu laben.

 

Der Sperlinge ernähret, der dem Raben

Sein Futter gibt; sie, die nicht näht noch spinnt,

Die Lilie, kleidet, wird das Menschenkind

Vom Vater Gleiches nicht zu hoffen haben?

 

Und ist es da, was Leib und Seel’ erquicket,

Er schuf’s für uns, was äußerm Sinn gefällt,

Wie was der innre Mensch nur mag erfahren.

 

„Nicht“ rief, der einst zum Vater aufgeblicket,

„Fleh’ ich, daß du sie nehmest aus der Welt,

Nur wollest rein sie von der Welt bewahren.“

 

 

175

 

Nur was da schimmert, überzeugt die Welt,

Und willst du sie gewinnen, mußt du schimmern;

Doch, soll ein Hauch nicht schnell dein Werk zertrümmern,

Sorg’, daß Gehalt der Form die Waage hält.

 

Wo Alles rennt zum Scheine, der gefällt,

Mußt du der Wahrheit Haus gefällig zimmern:

Doch wird Erfolg die Absicht dir verkümmern,

Bleibt heil’ger Ernst nicht deines Schaffens Held.

 

Und wirst du nicht dem Liebesgeiste lauschen,

In tiefer Brus des Geistes leisem Wehen:

Wirst du nur Wörter kaufen stets und tauschen.

 

Er wandelt sanft im Säuseln, nicht im Rauschen;

Willst, was er beut, du seelenlos verschmähen,

Wird seelenlos dein Werk stets vor dir stehen.

 

 

176

 

Ich sah hinaus; ach, eitlen, nicht’gen Schein beut

Die welt nur rings bei Kleinen, wie bei Großen,

In nicht’gem Leid und Freude, wie zerflossen

Hintaumelnd, Alles Rohheit und Gemeinheit!

 

Für Seelenwürd’ und höh’re Geistesfeinheit

Die Bessern selbst hermetisch fest verschlossen.

Weisheit ist Tand und Poesie sind Possen,

Verschwunden jedes tücht’gen Strebens Reinheit.

 

Und jeder Strahl von oben gilt als Störer

Der schlimmen Wirthschaft in der Thoren Lande,

Die grau und lau nicht frieren noch erglühen.

 

Bleib’, Seele, des Mysteriums Verehrer,

Auf einsamer Oas’, und laß im Sande

Kameel und Esel ruhig weiter ziehen!

 

 

177

 

O wohl, ich fühl’s, die zürnten nur und lachten

Ob Menschenthorheit und verkehrtem Treiben,

Nur wenig half ihr Scherzen, Schreien, Schreiben,

Und wenig Heil sie ihren Brüdern brachten.

 

Ja, „werde groß, die Menschen zu verachten,

Werd’ größer, sie zu lieben“: ruhig bleiben

Und aus geborgnem Sitz sie nur betäuben,

Sei jener Theil, die leichte Müh’ sich machten.

 

Göttlicher ist’s, ein liebevoller Störer

Mit Himmelsweisheit in der Thoren Lande

Zu treten, wo nicht Himmelsblumen blühn,

 

Zu werben neu des Himmlischen Verehrer

Und selbstvergessen durch der Wüste Sande

Mit Eseln und Kameelen tröstend ziehn.

 

 

178

 

Gern ließ ich Alles gehen, wie es geht;

Leicht ist’s, wenn in der Stadt sich Haufen treiben

Mit Lärm und Droh’n, zu Haufe ruhig bleiben,

Nicht nach dem Lärm mir Herz und Seele steht.

 

Doch von der Stirne weicht die Majestät

Der Menschlichkeit, will ich, mich nicht zu reiben,

Um meine Ruh’ bemüht allein, beschreiben

Still im Gemach wie draußen Sturmwind weht.

 

Ich bin ein Mensch, der Menschen Freund’ und Leid,

Sünd’ und Verbrechen, Heil und Wohlfahrt sind

Mein Antheil; ich bin einer nur aus ihnen.

 

Drum zürnt mir nicht, wenn oft auch mich die Zeit

In ihren Strudel zieht: Nie werd’, ihr Kind,

Ich ihr, nur Gott und seiner Menschheit dienen.

 

 

179

 

Was zu erstreben lohnt noch wohl die Mühen?

Alt ward das Leben, Zank und Hader beut

Die Wissenschaft im eklen, eitlen Streit,

Heim zum Olymp sah man die Musen fliehen.

 

Mit Narren sieht die Poesie man ziehen

Durch Stadt und Land der edlen Christenheit;

Philosophie erscheint wie ungescheidt,

Seit nicht’gem Zank sie Ohr und Wort geliehen.

 

Nur Eines ist, dem stets es noch verlohnt,

Froh hinzuopfern Seele, Gut und Leben,

Das Siegern Myrthen reich und Lorbern beut;

 

Religion des Kreuzes, herrlich thront

Und ungeschwächt noch deine Macht! Mein Streben

Und all’ mein Mühn sei einzig dir geweiht.

 

 

180

 

In Baumeskron’, wo Himmelsvögel nisten,

Surrt giftiger Insecten wilder Schwarm,

Ein heilloses Geschmeiß, daß Gott erbarm’,

Und schmaust und nagt verheerend dort nach Lüsten.

 

Es zog heran aus brennend heißen Wüsten

Auf Samums Fitt’chen, giftig schwül und warm,

Mit rastlos regem Zahn und gier’gem Darm;

Nackt steht der Hain, wo ihre Lust sie büßten.

 

Ein kahl Gerippe, blattlos, blüthenleer,

Starrt kläglich dürr der Ast in Himmelsbläue

Und seufzt ob dem Triumph, der ihn umdränget.

 

Wo blieb eu’r flinkes, schnabelfestes Heer,

Ihr Himmelsvögel, das die Schaar bedräue?

Bringt Pulver her, das sie betäubt und senget.

 

 

181

 

Ach, unsers Volkes Tugenden, sie flohen,

Des Lebens Reiz und Anmuth sind dahin!

Wo blieb der weise, kräftig inn’re Sinn

Der Männer, unsres Vaterlands Heroen?

 

Und Todesschlünd’ und Wetter es umdrohen.

Schwach und verkehrt, was bringt uns noch Gewinn?

O nur ein Ausweg ist uns noch verliehn;

Heran auf ihn, ihr Muth’gen, Hoffnungsfrohen!

 

Ein Kleinod nur ist in dem grausen, trüben

Gewirr der Zeit noch unverletzt geblieben;

In Majestät unsichtbar auf dem Thron

 

Herrscht ewig jung noch die religion:

dran hängt eu’r ganzes Hoffen, Streben, Lieben,

Sie einzig noch zollt großer Mühe Lohn.

 

 

182

 

Hat je die Jungfrau ihres Schmucks vergessen,

Des goldnen Purpurgürtels je die Braut?

Und wir, ein Volk, dem Herren angetraut,

Verloren unsern Schmuck bei Grabcypressen.

 

Doch neu uns bietend, was wir einst besessen,

Hat nochmals mild der Herr auf uns geschaut,

Zur Hochzeit ladend, dringend, sanft und laut;

Wir aber schwanken zögernd und vermessen.

 

Und doch, wir fühlen’s, Gottes Wohlgefallen

Weilt nicht bei uns, seitdem wir fallen ließen

Der Weisheit Gurt und der Gerechtigkeit,

 

Die uns geschmückt.  Auf, eh’ die heil’gen Hallen

Des Hochzeitssaals sich uns für immer schließen!

Gefleht, gesucht, noch sind wir in der Zeit!

 

 

183

 

Ich sah ein Bild, bedeckt von Schmach und Blut,

Auf Golgatha den Heil’gen ich erblickte,

Der für mich starb.  Ein heil’ger Blitz durchzückte

Mein Innerstes: ich sah das höchste Gut.

 

Da schwand, worauf sonst gern das Auge ruht,

Die Urzeit, die mit Wonn’ und Lust geschmückte;

Ja, selbst der fernen Zukunft Tag entrückte

Mir der moment der höchsten Liebesgluth.

 

Tod überfiel die Zeit; der Raum, mein Leben

Sank tief hinab; doch schien ein ew’ger Tag

Herein zu leuchten hoch in meine Trübe

 

Und Todesnacht.  Neu schien sich zu erheben

Die Erd’ und jung zu sprießen allgemach,

Und ich verstand die ew’ge, heil’ge Liebe.

 

 

184

 

Der Schöpfung Herr, der Geister und der Seelen,

O Seel’, ist nah’, nah’ ist das ew’ge Wort,

In dir, um dich, ob dir, an jedem Ort

Im Meer des Seins, o woll’ es nicht verhehlen!

 

Und willst des Wortes Wunder du erzählen,

Das Alles schuf, das unser Licht und Hort,

Verbanne schnell den Leichtsinn, scheuche fort,

Was eitel, streng das rechte Wort zu wählen.

 

O sein Gedank’ ist’s, was du kannst und nennst,

Was siehst und greifst, was dich zu Thränen rührt,

Gesehen ward’s in ihm von Ewigkeit!

 

Durch Ihn ist’s dein, und wo du ihn bekennst

Mit Sehnsucht, Lieb’ und Inbrunst, o so wird

Zu Himmelswonn’ es dir schon in der Zeit!

 

 

185

 

Und wird die Welt mir eine Wüstenei,

Wenn spät uralte Pfeiler krachend schwanken,

Zur Rechten mir, zur Linken tausend sanken,

Der schier betäubt vom Lärmen und Geschrei.

 

Bin ich dir treu, so bleib’ ich mir getreu:

Bleib’ ich bei dir mit Willen und Gedanken,

So werd’ im Wirrwarr nimmerdar ich wanken;

Wohl weiß ich, daß hier Kampf, nicht Friede sei.

 

Das Leben bleibt ein Traum, die Wirklichkeit

Des lichten festen Tags dringt nur in Strahlen

Von Zeit zu Zeit gebrochen in die Nacht.

 

Vergebens strebt das Bild der Ewigkeit

Der Geist hier fest zu halten; Bilden, Malen

Und Liedes Trost sind keine Schöpfungsmacht.

 

 

186

 

Oft wenn ich einsam weile in Gedanken,

Sei es bei mir, ob unter lauter Schaar,

Verschwind’ ich mir; dann werd’ ich mich gewahr,

Und sieh’, es stürzen jäh gewisse Schranken.

 

Willst du es dir, willst höh’rem Geist du’s danken,

Daß unterdeß dir Dies und Jenes klar,

Daß dir, o Seele, wie’s vorhin nicht war,

Nun friedlich, froh und leicht, dem Herzenskranken?

 

Wohl in Gedanken warst du, doch in deinen?

warst du vielleicht bei jenem Urgedanken,

Deß sanftes Licht des Denkens Ursprung ist,

 

So wie des Seins? Und ward im Wiederscheinen

Von seinem Liebesblick dem trüben Kranken

So Licht, als Trost umsonst, in jener Frist?

 

 

187

 

O unermeßner Grund, Geheimniß klar

Und nächtig dunkel, der stets überfließet,

Darein die heil’ge Ursach’ sich ergießet,

Und sich beschaut in Strahlen wunderbar;

 

Der dunklem Thale ew’gen Tag erschließet,

Sich und der Ursach’ leuchtend licht und wahr,

Deß Antlitz hold und aller Flecken bar

In Abgrundstiefen heil’ge Strahlen schießet;

 

Wer bist du, der von ew’gen Felsenhöhn

In tausend goldne Becken segnend fleußt,

In jedem überfließend schnell sich wendet

 

Hinab zu Blumenthälern, warm und schön,

Ysop und Palm’ und Lilie blühen heißt,

Dem Moos der Kluft selbst seinen Himmel spendet?

 

 

188

 

Oft dünkt für kurz dies dunkle enge Sein

Mir voll von ew’ger Schönheit Liebesstrahlen;

Licht, leicht in mir, scheint rings in allen Thalen,

Auf allen Höhn sich Freudentanz zu reihn.

 

Auf Allem ruht ein sanfter Widerschein

Von ew’gen Wonnen; Schönheitslinien malen

Ein jed’ Geschöpf, nach unbekannten Zahlen

Klingt mir die Welt in Himmelsmelodei’n.

 

Mit leisem, tiefem, süßem Donnerton

Scheint ew’ger Liebe Friedenswort hernieder

In’s tiefste Herz, mich freudig zu erschüttern.

 

Trau’ nicht, o Seel’, es übt mit bittrem Hohn

Die Zeit ihr Recht; schnell kehrt der Nachtsturm wieder,

Und Gott verbirgt sich dir in Ungewittern.

 

 

189

 

Tönt mir dein Wort, so fällt ein Strahl des Lichts

In des Gefangnen dunkle Kerkerkammer,

Erst dann erkenn’ ich Fußblock, Kett’ und Klammer

Und Schellenring, so ganz mein ödes Nichts.

 

Bei einem Blicke deines Angesichts,

Der liebend fragt, ertönt ein Glockenhammer

Des Weltgerichts; und sieh’, du stillst den Jammer

Und wendest sanft die Waage des Gerichts.

 

Ein warmer Lebenshauch von deinem Munde,

Und silbern glänzt die sympathet’sche Schrift

In meinem Herzen, rings in der Natur;

 

Der Urschrift Züg’ in mir, wie in der Runde,

Wie Frühlingsschimmer hell mein Auge trifft,

Und hier wie dort glänzt deiner Weisheit Spur.

 

 

190

 

Und kann vor ihm in seiner Weisheit Fülle,

Die mich verwirrt, ich keine Worte finden,

Wo übermannt mir Geist und Rede schwinden,

Bleibt mir, geblendet, doch des Preises Wille.

 

Ja, jubelnd kann schon in des Staubes Hülle

Befreit mein Geist den Gliedern sich entwinden,

Sich über sich zur Fackelgluth entzünden

Zu seinem Preis anbetend, feiernd, stille.

 

Er spricht sein Wort in Ewigkeit und spricht

In diesem einz’gen Wort das All der Wesen,

Und läßt sie endlos Licht und Liebe tauschen.

 

Er spricht auch meinen Geist, dem, Licht von Licht

Ein Spiegel rein und Herd zu sein erlesen:

Ihm ist’s genug, dem ew’gen Wort zu lauschen.

 

 

191

 

Liebst Bäume du, die Zuflucht dir verstatten

Vor Guß und Gluth, der Melodie des Lebens,

Der blätterreiche Zweige, froh des Webens

Der Weste auch in ihrer Häupter Schatten,

 

O such’ vor Allem treulich ohn’ Ermatten

Die Weisheit auf, so strebst du nicht vergebens;

Sein, die sie liebte, ist das Holz des Lebens,

Sie wird dir reichlich alle Müh’ erstatten.

 

Erfüllen wird sie dich mit ihren Gaben,

Und wie du hast, wirst reicher du empfangen,

Sie fügt, was gut und heilsam ist, zum Schönen;

 

In Sommermittagsgluth wird sie dich laben,

An ihrem wird beglückt dein Auge hangen,

In kalter Winternacht stillt sie dein Sehnen.

 

 

192

 

Sieh’ her! Erfüllung war dein erster Stand,

Du fielst aus erster Licht- und Liebes-Fülle.

Gott war dein Licht und sein Gesetz dein Wille,

Dir blieb nun des Gesetzes äußres Band,

 

Bis er auf’s Neu’ dein Schöpfer, blutsverwandt,

Vor dir erschien, in heil’ger Menschheit Hülle,

Daß er statt deiner das Gesetz erfülle,

Dir sterbend böt’ der Hoffnung Unterpfand.

 

Erlösung ward dir aus der Knechtschaft Joch,

Rechtfertigung aus seinem Tod geboren,

Er ließ sich dir, dich göttlich zu beleben.

 

Hinauf nun folgst du ihm; doch Höh’res noch

Steht dir bevor, mehr als du je verloren,

Verklärt, ihm gleich, entgegen ihm zu schweben.

 

 

193

 

Wir konnten fallen, doch uns zu erheben

Zur ersten Höhe in der Weisheit Tag

Und heil’gen Liebe waren wir zu schwach;

Er, deß die Kraft, nur konnt’ uns dieses geben.

 

Nur Er, der Weg, die Wahrheit und das Leben,

Deß ew’gen Herz bei unserm Anblick brach;

Er stieg herab aus bittrer Todesschmach

Verklärt, verklärend mit uns aufzuschweben.

 

Sein ist’s, herab- und wieder aufzusteigen,

Sein Leben lassend, es zu nehmen wieder,

Wie’s ihm gefällt, erhebend uns vom Falle;

 

Doch unser ist’s, uns dankbar ihm zu neigen,

Anbetend, tiefgesenkt zur Erde nieder,

Still jubelnd, daß er liebend starb für Alle.

 

 

194

 

O Seele, hast du Trost in Traurigkeit,

Hebt höh’re Hoffnung dich an frohen Tagen,

Mag leicht dein Herz in schönen Stunden schlagen,

Ward licht dein Geist vom Strahl der Ewigkeit:

 

Wem dankst du es? Inmitten dieser Zeit

Auf Golgatha ward ein Gefäß zerschlagen,

Sein heil’ger Friedensbalsam ward getragen

Zu aller Zeit in alle Lande weit.

 

Der nahm dem Tod den Stachel, reinigt klar

Von Sündenqualm die Erdenatmosphäre,

Läßt frei das Herz in Liebespulsen klopfen,

 

Zeigt unserm Blick, was sein wird, ist und war,

Verklärt so Leid als Freud’ zu Gottesehre,

Ihm weihe dankbar sel’ge Thränentropfen.

 

 

195

 

Kennst du den Stern, das königliche Zeichen,

In unsre Nacht gesenkt, auf daß es bahne

Den Weg zum ew’gen Heil, mild, ernst uns mahne

Hinan den Port der Heimath zu erreichen?

 

Kennst das Panier du, ob der erde Reichen

Hoch aufgepflanzt, die heil’ge Purpurfahne,

Dem Kriegerjüngling, wie dem Veterane,

Schild, Schmuck und Wehr und waffe sonder Gleichen?

 

Es trägt die Welt, scheint sie es gleich zu tragen,

Ist Hoffnung, Heil und Schirm unzähl’gen Schaaren

Im Thränenthal der Heiligen und Frommen.

 

Von tausend Engelschaaren hoch getragen

Wird eines Tags in Glorie es kommen,

Hoch aus den Wolken richtend niederfahren.

 

 

196

 

Du sehnest dich nach ew’ger Schönheit Schimmer?

O werd’ im Glanz der Gottheit denn gewahr

Ihn, der bei Gott und Gott im Anfang war,

Und dessen Thron der Herrschaft wanket nimmer!

 

Schön ist er dort, schön hier auch im Gewimmer

Als Kindlein in der Kripp’, schön immerdar

In klarer Gottheit Glanz, die ihn gebar,

Im Schooß der Jungfrau schön und leuchtend immer.

 

Als Kind, als Jüngling schön; als Wunderthäter,

Als ausgestoßen, wie ein Samariter,

Auf Golgatha, so wie auf Tabors Höhn;

 

Im Leben, wie im Tod, als ein Geschmähter,

Wie im Triumph, als Diener, als Gebieter:

Denn die Gerechtigkeit ist immer schön.

 

 

197

 

Heil! unser ist des Feldes heil’ge Blume,

Die hohe, weiße Lilie der Altäre,

Das Brod des Lebens; über Land und Meere

Erschallt Gesang zu des Dreiein’gen Ruhme.

 

Wir beten an den Herrn im Heiligthume,

Im Geist und in der wahrheit; Wein und Aehre

Verwandelt ew’ge Lieb’, auf daß sie nähre

Uns mit sich selbst, als unserm Eigenthume.

 

Das Brod des Lebens ist herabgestiegen,

Geretteten Verlornen sich zu bieten

In Engelspeise sel’ger Ewigkeit.

 

Durch Himmelswonnen unser Weh besiegen

Will hier der Herr, und wandelt Krieg in Frieden

Und haucht hinweg sanft Zweifel, Angst und Streit.

 

 

198

 

O du, bei dem der Quell des Lichtes fließt,

Selbst ew’ges Licht, der über Thronen weilt,

Deß Auge blitzend, wo der Abgrund heult,

In ew’ge Tiefen schaut, im Innern liest;

 

Der du die Huld und das erbarmen bist

Für Alles, was vertrauend zu dir eilt:

Sei neben Licht auch Liebe mir ertheilt,

Nichts gabst du, wo du Liebe nicht verliehst!

 

Du blickst und alle Wesen sind und leuchten,

Aus dem Geheimniß tritt in Sichtbarkeit

Das All hervor, dein hehrer Wiederblick.

 

Du liebst und, siehe, tausend Herzen zeigten

Sich liebentflammt in Götterwonn’ erneut

Und strahlen froh dein Lieben dir zurück.

 

 

199

 

Was ist’s, wohin, von Sehnsucht süß durchbebt,

So Herz als Augen der Lebend’gen schauen,

Wohin im Perlenthau auf Frühlingsauen

Der Blumenschaar die Blüthenkelche hebt?

 

Was ist’s, das tief des Erdballs Wucht belebt,

Mit leichtem Schwung alljährlich sonder Grauen

Die mächt’ge Bahn zu wandeln voll Vertrauen,

Die sie voll Anmuth engelgleich durchschwebt?

 

Was ist’s, worum die Sternenbahnen kreisen,

Milchstraßen ziehn in heil’gen Sabbathreisen,

Wie in Anbetung schimmernd, Heil’gen gleich?

 

Das ew’ge Lichtwort ist’s; Herz, laß dich weisen

Von seiner Huld, o laß nicht ab zu preisen

Die heil’ge Macht, du Kind in ihrem Reich.

 

 

200

 

Im Wort des Lebens glänzt ein einig Wort,

Es glänzt und herrscht im Himmel und auf Erden,

Die es erschuf mit freundlichen Geberden,

Ist aller Schöpfung Ziel und fester Hort.

 

Tief dir im Innern leuchtet’s fort und fort

Und klopfet an leis, um gehört zu werden;

Sanft tröstet es in Kummer und Beschwerden

Und schreibt und spricht am dunkeln, heil’gen Ort.

 

Du merk’ auf ihn, und horch ihm, der uns liebt

Mehr, als wir allgesammt ihn lieben können,

Wir, deren Herz in seiner Lieb’ erst wach.

 

Natur ist Nacht, ihr Sternenlicht getrübt,

Das Menschenherz, wir dürfen’s Dämmrung nennen,

Im Wort ist Tag, ein ew’ger Sonnentag.

 

 

201

 

O Wort des Herrn, bis wir entfesselt werden,

Zu süßem Trost und Stärkung uns beschieden,

Durch deine Zweige säuselt Himmelsfrieden,

Glänzt Herrlichkeit mit ew’gem Lichtgeberden!

 

Du Quell der Wonne, Paradies auf Erden,

Oas’ und Zufluchtsstätt’ dem Wandermüden;

Aus Lebenswirren, heiß und schwül hienieden,

Trag’ uns empor, uns kühlend nach Beschwerden!

 

Stumm bleibst du dem, und düster, kalt und rauh,

Den nicht der Geist, der dich gegeben, lehrte,

Daß er von unten sich nach oben kehrte,

 

Von äußrem Sehn zu innrer sel’ger Schau.

O werde uns zur Himmelsblumenau

Durch Gottesgeist, der dich in uns begehrte.

 

 

202

 

Das Blatt, so ich beschrieb, ist leer geblieben,

Half nicht das Wort auf lichte Geistesspur,

Das Berg und Thal und ewigen Azur

Geheimnißvoll mit Gottesschrift beschrieben.

 

Lebend’ge Worte leiht das Wort den Lieben

Und Treuen sein, flehn mit Vertraun sie nur

Um Licht: im Spiegel ewiger Natur

Lehrt innern Auges Geistesblick es üben.

 

Der Allmacht, Weisheit und der ew’gen Güte

Verschloss’nes Buch sind dieser Schöpfung Räume,

Ist unser Herz, eh’ sie sein Geist entsiegelt.

 

Doch tagt der hell, gleicht Heideblümchensblüthe

Im Frühthau mir das Blatt mit Zeil’ und Reime,

In dessen Tröpflein ew’ge Sonne spiegelt.

 

 

203

 

Sie Alle sagen’s dir, frag’ alle Weisen:

Gold liegt im Schlunde der Vergangenheit,

Gold bringt der heil’gen Zukunft schönre Zeit,

Doch zwischen-in die Gegenwart ist Eisen.

 

Drum willst des Lebens Genius du preisen,

Such’ aus dem Chaos erst, was er geweiht;

Heb’ auf das Gold, den Frieden aus dem Streit,

Um nicht die Larve Angesicht zu heißen.

 

Denn das Vergehn in der Vergänglichkeit

Ist Werk der Ohnmacht; nur Bestand bezeichnet

Im Unbestand der Götter heil’ge Werke.

 

Der Schöpfer schafft nur für die Ewigkeit,

Und was er sich als reine Schöpfung eignet,

Trägt das Gepräg’ der Weisheit und der Stärke.

 

 

204

 

Nach Schönheit dürstet dich? Kein aüßres Bild,

Wie schön es sei, kann dir die Schönheit zeigen.

Lebend’ger Geist ist Schönheit, welcher eigen

Nicht uns, der nur vom Thron des Ew’gen quillt.

 

Blick auf, das All mit seiner Glorie füllt

Der Herr, bet’ an mit ehrfurchtsvollem Schweigen:

So aus dem Ocean die Strahlen steigen

Von heil’ger Aufgangssonne Flammenschild.

 

Lebend’ger Geist ist Liebegeist, der weht

Nur Aug’ in Auge, zwischen Herz und Herzen,

Wo selig ew’ges Licht und Leben springt.

 

Das ist im All der Schönheit Majestät:

Rings um ein Herz aufflammen tausend Herzen,

Die es mit seiner Gottheit Kraft durchdringt.

 

 

205

 

Kennt ihr das Lied aus heil’ger Himmelspforte,

Das hohe Lied, deß heil’ge Melodie

Der Erde Weh bezwingt, deß Zauber nie

Verstummen wird im heiligen Accorde?

 

Sein Nachklang weht zu mir am wüsten Orte

Im Windeshauch; dort sammelt spät und früh

Die süßen Laute meine Phantasie,

Sie reden all’ vom menschgewordnen Worte;

 

Vom Worte, das mit Friedenszaubertönen

Im Urbeginn des Chaos Streit bezwang,

Daß diese schöne Welt an’s Licht sich rang;

 

das in der Zeitenmitte zu den Söhnen

Der Menschen sich als Mensch in Liebessehnen

Gewandt mit mächt’ger Friedensworte Klang.

 

 

206

 

Komm, heil’ge Dichtkunst, Glanz vom ew’gen Licht,

Du kraft aus Gott, die Pfade neu zu hellen,

Weck’ auf den Dichtergeist, den feurig schnellen,

Das Opfer bring’ er, das der Welt gebricht.

 

Aegypten dieser Welt behalte nicht

Den Raub vom Volk des Herrn, den silberhellen

Schmuck des Geräths; auf, ihn zurückzustellen

Vor ewiger Idea Angesicht!

 

Es hält die Welt das Eigenthum des Herrn

Und seines Volks im Götzendienst gefangen,

Mißbraucht das Gut zur Ungerechtigkeit.

 

Auf, in die Wüst’! es winkt Jehovah’s Stern,

Neu opfernd uns, ihm ewig anzuhangen,

Reich macht das Gut, so ihm auf’s Neu’ geweiht.

 

 

 

 

 

è Fortsetung